In der Saison 1929/1930 spielte der DFB das dreiundzwanzigste Mal einen Deutschen Fußballmeister aus. Damit der DSC auch im Rennen mitmischen durfte, musste er zunächst die Ostsächsische Meisterschaft gewinnen. Diese wurde in Ligaform ausgetragen und wer diese für sich entschied, durfte anschließend an der Mitteldeutschen Meisterschaft teilnehmen, deren Gewinn wiederrum zur Teilnahme an der Endrunde berechtigte, oder man gewann den Mitteldeutschen Pokal. Alles gar nicht so einfach. Der DSC gewann die Ostsächsische Liga mit zwei Punkten Vorsprung vor Guts Muts Dresden. In 18 Spielen hatten die Rotjacken 85 Tore geschossen und nur 15 kassiert. Die Ostsächische Liga glich vom Teilnehmerfeld übrigens eher der Stadtoberliga. Bis auf den Meißner SV mischten nur Dresdner Teams mit. 20.000 Zuschauer wollten am 05. Januar 1930 die entscheidene Partie Guts Muts Dresden gegen Dresdner Sportclub sehen. Der DSC verteidigte die Tabellenführung knapp mit einem 1:1. Dieses wichtige Stadtderby wurde übrigens auf einer bis 1939 existierenden Radrennbahn in Reick, in der nähe des berühmten Gasometers des Architekten Erlwein, ausgetragen.
In der Mitteldeutschen Meisterschaft ging es zunächst gegen den VfL Bitterfeld (3:0), dann zum Magdeburger SV Foruna (6:0), außerdem gegen die SpVgg Erfurt (5:2) und schließlich im Finale gegen den VfB Leipzig (2:1). Damit war der DSC qualifiziert, der VfB Leipzig gewann den Mitteldeutschen Pokal und war ebenfalls mit von der Partie. Und die Rotjacken starteten furios in die Endrunde. Im Hallenser Stadion am Zoo wurde der VfB Königsberg mit 8:1 bezwungen und es ging in Richtung Viertelfinale. Der Dresdner Anzeiger vom 1. Juni 1930 atmete auf: "Endlich ist einmal die Vorrunde siegreich überstanden." Denn bei den letzten Anläufen scheiterte der Sport-Club immer am ersten Gegner. 1926 mit 0:1 gegen Breslau 08, 1928 wieder mit 0:1, diesmal gegen Wacker München und ein Jahr später flog der DSC gegen Bayern München mit 0:3 raus. Diesmal kam es anders, allein drei Tore steuerte "König" Richard gegen die Königsberger bei. Der kommende Gegner wusste also, auf wen er Acht zu geben hatten. Was, wie sich später rausstellte, den Friedrichstädtern zum Vorteil gereichte.
Der DSC sollte auf Vorschlag des DFB zunächst bei der SpVgg Köln-Sülz 07 (fusionierte 1948 mit dem Kölner BC zum 1. FC Köln) antreten. Der Verband änderte jedoch kurzfristig die Ansetzungen. Statt Köln hieß der Gegner nun Fürth. Und Fürth war nicht irgendwer. Die Spielvereinigung aus Fürth war der amtierende Deutsche Meister. Am Sonntag, dem 28. Juli 1929, hatten sich die Franken gegen Hertha BSC im Finale im Nürnerger Stadion im Zabo (Von Zerzabelshof - einem Nürnberger Stadtteil) mit 3:2 durchgesetzt. In der laufenden Saison bekamen es die Kleeblätter im Achtfinale erneut mit einem Haupststadtteam zu tun. Diesmal gastierte im Zabo der Berliner Tennis-Club Borussia. Einmal mehr triumphierte Grün-Weiß. 4:1 hieß es am Ende gegen die Veilchen und Fürth zog ins Viertelfinale ein.
Welche Stellung die Fürther im Deutschen Fußball inne hatten, wird klar, wenn man bedenkt, dass sich der DSC am 24. November des Vorjahres die Fürther noch anerkennend zur Einweihung der für 150.000 Mark errichteten Steintribüne eingeladen hatte. Die Fürther siegten dabei standesgemäß mit einem klaren 3:0. Vor 20.000 Zuschauern erzielten 2xFrank und Rupprecht die Tore für die Gäste. Der Anzeiger lobhudelt: "Ein Verein, dessen Geschichte ruhmreich ist, wie kaum die eines zweiten in Deutschland. Nur der nahe Nachbar, der 1.FC. Nürnberg, kann sich mit Fürth in dieser Hinsicht mit Erfolg messen." Man rechnete also wieder mit einem Zuschaueransturm. Und der Anzeiger klagte: "Die Ilgenkampfbahn ist der Austragungsort, allerdings leider zu klein für den zu erwartenden Andrang. 25.000 Zuschauer wollten sich am 01. Juni 1930 auf der Dresdner Ilgenkampfbahn das Viertelfinalspiel um die Deutsche Meisterschaft nicht entgehen lassen. Auch die Dresdner Nachrichten hatten Bedenken: "Man ist durch ausgebaute Traversen verwöhnt und hat bessere Kampffelder dieser Art in Dresden. Dank der Vorarbeit der bauenden Vereine, dank der Sicherheitsorgane klappte es aber bestens." Allles war also getan worden um den zahlreichen Fußballbegeisterten das Wechselbad der Gefühle zu ermöglichen, die sogar aus der Provinz Peußen und der Tschechoslowakei angereist waren.
Dresdner Sport-Club
Richter
Herzog - Gloxin
Köhler - Hartmann - Berthold
Stössel - Selchow - Schlösser - Hofmann - Hallmann
Trainer: Jimmy Hogan
5:4 n. V.
(4:4, 3:1)
Fürtsch - Rupprecht - Franz - Frank - Auer
Krauß - Kleinlein - Kießling
Hagen - Leinberger
Neger
Spielvereinigung Fürth
Tore: 1:0 Karl Schlösser (17.), 2:0 Karl Schlösser (22.), 2:1 Andreas Franz (23., FE), 3:1 Karl Schlösser (38.), 3:2 Georg Frank (56.), 3:3 Andreas Franz (69.), 3:4 Georg Frank (72.), 4:4 Rudolf Berthold (73.), 5:4 Kurt Stössel (94.)
Besondere Vorkommnisse: Feldverweis Gloxin (75.), Feldverweis Schlösser (82.) - Feldverweis Krauß (12.)
Zuschauer: 25.000 (Ilgenkampfbahn)
Spielverlauf:
Als die Fürther in schwarzen Hosen und weißen Hemden den Rasen der Ilgenkampfbahn an der Lennéstraße betraten, zollte das anwesende Publikum anerkennend Beifall. Der Beifall schwillt zum Tosen als der Mitteldeutscher Meister, Dresdner SC, einläuft.
Das Spiel begann mit einem Anstoß für den Deutschen Meister. Das Publikum ist nervös. Die Nervosität entlädt sich in anfeurnden Rufen mit Glockengebimmel und dem Schwingen zahlloser schwarz-roter Fähnchen. Und von den Zuschauern angetrieben, drangen die Rotjacken sofort in die Hälfte der Gäste. "D ... S .... C schallt es brausend, und blitzartig vereebt der Stimmenorkan, als die Fürther mit einem Gegenstoß antworten." (DN)
Schon nach zwei Minuten muss Selchow verletzt vom Platz. Hofmann setzt den fälligen Freistoß knapp über die Latte. Doch Selchow ist hart im nehmen und kommt unter dröhnendem Beifall wieder auf den Platz.
In der 12. Minute trifft Schlösser nur den Pfosten und Krauß wird wegen Unsportlichkeit, er trat gegen Stössel nach, dem Felde verwiesen.
In der 17. Minute dann Wogen der Begeisterung, Selchow bringt den Ball in den Strafraum, Kleinlein schlägt eine Bogenlampe und Schlösser köpft kurzentschlossen wie ein Wiesel zum 1:0.
Fünf Minuten später war wieder Schlösser zur Stelle. Hans Hagen hatte sich verschätzt, kam nicht mehr zum Ball und Schlösser versenkt den Ball am herauseilenden Neger vorbei ins Netz. Schlag auf Schlag liegen die Rothemden nun mit einer 2:0-Führung vorn. Der 18-jährige Youngstar des DSC genießt unerwartete Freiräume, da sich die Mannschaft aus Franken mit bis zu drei Mann auf "König Richard" konzentriert.
Beifallstürme und Anfeuerungsrufe brechen nun bei jedem Angriff der Einheimischen los. Doch die Kleeblätter steckten nicht auf. Andreas Franz erzielte nur 60 Sekunden später den 1:2-Anschlusstreffer per Strafstoß, nachdem Rupprecht zu hart und scharf im Strafraum angegangen wurde. 2:1. Den Fürthern merkt man die Unterzahl nicht an, ihre Angriffe gewinnen an Durchschlagskraft.
Doch der DSC kontert gefährlich, in der 38. Minute setzt sich Hallmann glänzend durch und seine Flanke findet Karl Schlösser, der kurz vor der Halbzeit erneut einschoß und wieder auf einen zwei-Tore-Vorsprung erhöht. Der Beifall ist unbeschreiblich, denn die Fürther nehmen das Spiel so ernst wie möglich.
3:1 Pausenstand. Ein Reklameballon steigt nicht richtig auf und unter großem Bohei landet er in den Zuschauermassen, die heiße Diskussionen führen, ob denn die drei Tore ausreichen um den Meister zu schlagen. Ein Zuschauer wird vom Schiedsrichter aus dem Stadion geworfen, weil er sein Temperament nicht im Zaum hat.
Applaus, der DSC kommt zurück auf den Platz. Und die zweite Halbzeit beginnt mit einem Generalangriff der Rotjacken. Bei soviel Schneid scheint die Partie bereits gewonnen. Doch Fürth wirft alles in die Waagschale. Als wären sie mit 16 Mann auf dem Platz. Tadellose Kombinationen. In der 56. Minute kann Richter einen strammen Schuß von Kießling nur abprallen lassen und der einschußbereite Franz lenkte den Ball ins Netz.
Der DSC scheint sich verausgabt zu haben. Noch 13 Minuten dauert es ehe die Fürther in Unterzahl ausgleichen. Franz hatte, nach schöner Kombination von Leinberger und Frank, genügend Zeit sich den Ball zurecht zulegen und selbigen unhaltbar in die Maschen zu jagen.
Eine stille Resignation geht durch das Stadion. Es kam noch schlimmer, schon drei Minuten später war es wieder Franz, der sich glänzend durchsetzte und die Fürther Führung erzielte.
Aber der DSC steckte nicht auf! Und wie! Nicht einmal eine Minute ist vergangen. Mehrfach wird der Ball in Richtung Tor befördert, aber immer wieder erfolgreich abgewehrt, schließlich ist der 27-jährige linke Außenläufer Rudolf Berthold, der den Ball endlich im Tor unterbringt. Wieder brandet orkanartiger Beifall auf. Doch die Dramatik des Treffens ist noch lang nicht erschöpft. Der Essener Schiedsrichter Willi Guyenz zeigte zunächst Gerhard Gloxin in der 75. Minute wegen Foulspiel Rot, für ihn rückte Richard Hofmann in die Abwehrreihe.
Wenig später, in der 82. Minute, durfte auch der Youngstar Schlösser vorzeitig vom Platz, weil er eine Entscheidung des Schiedsrichter in Frage gestellt hatte. Das Team von Jimmy Hogan hatte den amtierenden Meister in Überzahl an den Rand einer Niederlage gebracht, geriet dann in Rückstand, glich wieder aus aber war postwendend selber in Unterzahl geraten. Bevor Schluß war, hätte Selchow den DSC wieder in Führung bringen können, nach einer Flanke von Hallmann schob Selchow denn Ball aber am leeren Tor vorbei.
Die Partie musste in die Verlängerung gehen. Doch was sollen die drei Fliegengewichte im Dresdner Angriff ausrichten? Vier Minuten vergehen. Man weiß der erste Treffer entscheidet. Die Zuschauer haben sich damit abgefunden, dass diesen Treffer Fürth erzielen wird. Der Sportclub bekommt einen Freistoß zugesprochen. Herzog sieht Selchow freistehend und führt schnell aus. Von dort gelangt der Ball zu Hallmann, der zwei Kleeblätter aussteigen lässt, sein schuß trifft aber nur die Latte. Doch da ist Stössel, mit dem Kopf, TOR! 5:4! Das Spiel ist entschieden! Die Massen können es nicht fassen. Was für ein dramatisches Auf und Ab! Ein Menschenstrom ergießt sich über den Sportplatz. Wildfremde Menschen tauschen Händedrücke und Worte der Siegesfreude aus. Die Dresdner Spieler werden auf die Achseln gehoben und mit Begeisterung vom Platz getragen.
Die Informationen und das letzte Bild stammen aus dem Dresdner Anzeiger vom 01. und 02. Juni 1930 sowie aus den Dresdner Nachrichten vom 02. Juni 1930.
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Steffen (Mittwoch, 07 August 2013 18:00)
Der DSC hat wenigstens Tradition. Aber alle rennen ja nur zum Stasiverein Dynamo! Ob die überhaupt die Vergangenheit dieses Verein kennen oder kennen wollen? Mielke lässt grüssen. Der DSC war Deutscher Meister, das wird der Retortenverein Dynamo nie.
Stefan (Mittwoch, 09 April 2014 21:24)
@Steffen
..natürlich kennen wir die Vergangenheit von Dynamo, als Dresdner, die Dresdner Fußball lieben (so gehts mir) hänge ich an JEDEM Dresdner Fußballverein. Ich habe selber bei zwei´n davon in den 80ern gespielt. TUR Übigau und SV Dresden-Neustadt ...auch der DSC und Turbine, Borea und wie sie alle heißen, erfreuen mich immer, wenn ich darüber lese. Aber eben Dynamo hat meine Jugend geprägt, weil wir mit ihr aufgewachsen sind. Wäre meine erste Erfahrung vom Fußball beim DSC gewesen, wäre ich vllt. glühender DSC-Fan..so bin ich eben Dynamo geworden. Sei mir nich böse, die Vergangenheit, was die Spieler in Ihrer "Freizeit" oder Berufsleben gemacht haben, war mir damals sche**egal und is es mir heut noch...
Wir sollten ALLE stolz sein, dass die Wiege des kontinentalen (europäischen) Fußball´s in Dresden liegt, egal, welchem Dresdner Verein wir unser Herz geschenkt haben...ich träum von einer Zukunft, in der jeder Fan einer Dresdener Mannschaft in JEDEM Dresdner Stadion willkommen ist..weil wir etwas GEMEINSAMES haben...!!! Wir leben alle in der geilsten Stadt, mit den geilsten und ältesten Fußballvereinen Deutschlands...!!!